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SIG „Entwicklungs- und Lernstörungen aus neurobiologischer Perspektive“

Organisation: Dr. Elena Galeano-Keiner, Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Prof. Dr. Yee Lee Shing

Entwicklungs- und Lernstörungen gehen mit Defiziten in verschiedenen Aspekten des Verhaltens, des Lernens und/oder der Kognition einher. Kinder, die anhaltende Schwierigkeiten beim schulischen Lernen haben, erhalten bisweilen die formale Diagnose einer spezifischen Lernentwicklungsstörung, wie z. B. Legasthenie, Dyskalkulie oder Sprachentwicklungsstörung. Bei anderen wird eine verwandte Entwicklungsstörung diagnostiziert, die häufig mit Lernproblemen einhergeht, z. B. Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Autismus-Spektrum-Störung (ASD). Abweichungen von der „normalen“ Entwicklung werden dann klassifiziert, wenn Grenzwerte unter- oder überschritten und/oder definierte diagnostische Kriterien in ausreichender Anzahl oder Intensität erfüllt werden. Jedoch variieren die Beeinträchtigungen häufig sehr stark in Umfang und Schwere und sind oft mit anderen Verhaltensproblemen verbunden. Kinder, die Lernschwierigkeiten aufweisen, erhalten in vielen Fällen entweder mehrere Diagnosen oder keine Diagnosen, was den Alltag und die Lebensqualität von betroffenen Kindern und ihren Familien stark beeinträchtigen kann.

Auch in neueren klinischen Klassifikationssystemen werden einzelne Störungskategorien noch wenig differenziert betrachtet. Beispielsweise werden für die Rechenstörung (Dyskalkulie) zentrale Aspekte wie Schwierigkeiten in basisnumerischen Kompetenzen (z.B. Mengen und Größenvorstellungen, Zahlen und Mengenrelationen) für die Diagnosestellung nicht berücksichtigt. Zusätzliche Angaben zur Bedeutung des Schweregrads und zum Verlauf werden nicht aufgeführt. Fördermethoden, die entsprechend auf das individuelle Störungsprofil eingehen, lassen sich somit nicht begründet ableiten.

Ursachen und Risikofaktoren für Entwicklungsstörungen sind eher heterogen, jedoch mit einem engen Bezug zur neuronalen Entwicklung. In dem Modell des „neurodevelopmental continuum“ werden Entwicklungsstörungen nicht als gesonderte Entitäten angesehen, sondern als Ausdruck oder Endpunkt der gestörten Gehirnentwicklung innerhalb eines Kontinuums abgebildet. Annahmen des Modells basieren auf Forschungsergebnissen, die gemeinsame zugrundeliegende genetische Krankheitsfaktoren und umweltbedingte Risikofaktoren von Entwicklungsstörungen nahelegen.

In der hier vorgestellten SIG werden aktuelle Forschungsergebnisse zu den neurobiologischen Grundlagen von Entwicklungsstörungen und ihren Komorbiditäten aufbereitet und diskutiert. Ein verbessertes Ursachenverständnis könnte sich als Grundlage für eine höhere Wirksamkeit der Förderung erweisen. Es werden aus unterschiedlichen Sichtweisen der Disziplinen Medizin, Psychologie und Pädagogik folgende Leitfragen verfolgt: Was sind aktuelle Herausforderungen in der Feststellungsdiagnostik von Entwicklungs- und Lernstörungen? Inwiefern werden die Störungsbilder durch einen dimensionalen Charakter der Symptomausprägungen und -zusammensetzungen und der neurobiologischen Grundlagen abgebildet? Wie können Überschneidungen zwischen den vermeintlichen Kategorien und Variabilität innerhalb der einzelnen Diagnosen beschrieben werden? Welche Rolle spielen intra-individuelle Schwankungen im Schweregrad und der Symptomausprägung? In den einzelnen Sitzungen werden aktuelle Forschungsergebnisse zu den Themenschwerpunkten vorgestellt und diskutiert. Gastvorträge von Experten im Bereich Entwicklungs- und Lernstörungen finden in regelmäßigen Abständen statt.